Wir sind uns darüber im Klaren, dass dieser Artikel unangenehme und undezente Themen behandelt, wogegen sich das natürliche Empfinden der Menschen auflehnt. 

Da es sich aber um behördliche Hinweise zur Kleinkindererziehung handelt, meinen wir, dass es für Eltern wichtig ist, sich zu informieren, was im schulischen Sexualkundeunterricht geschieht und welche Medien dort eingesetzt werden. Sollte noch einmal eine Neuauflage der Broschüre oder eine andere derartige Veröffentlichung erfolgen, werden wir darüber wieder informieren.

Streit um „Körper, Liebe, Doktorspiele“ – eine Kampagne von Dunkelmännern gegen Aufklärer?

Im Jahre 2007 hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Broschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele“ – ein Ratgeber für Eltern zur frühkindlichen Sexualentwicklung“ 6 Jahre nach der Veröffentlichung aus ihrem Repertoire genommen. Die zuständige Bundesfamilienministerin von der Leyen ließ die Verteilung der Broschüre stoppen, weil sie einige Formulierungen „missverständlich und zweideutig“ fand. 

Anlass hierfür war der Bericht „Onanie und Fummelei – sollen wir so unsere Kinder erziehen?“ im Kölner „Express“ vom 31. Juli 2007. In dem Bericht wurde kritisiert, dass einige „Ratschläge“ dieser Broschüre als Hinführung zum Kindesmissbrauch aufgefasst werden könnten. (1)

Die „Fachwelt“ sei über das Stoppen der Broschüre „entsetzt“, meldete bald darauf SPIEGEL ONLINE. Denn „aus sexualwissenschaftlicher und sexualpädagogischer Perspektive“ sei – so ein Berater der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – an der Aufklärungsbroschüre „nichts auszusetzen“. (2) 

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und Ina-Maria Philipps als Autorin der Broschüre würden verleumdet und es würde ein „Zerrbild“ gezeichnet. Nach Darstellung von Ina-Maria Philipps sind ihre Kritiker „Gegner einer sexualfreundlichen Pädagogik“, denen es um „politische Interessen“ gehe. Ihre Absicht sei es dagegen, den Eltern zu vermitteln, was „normale sexuelle Entwicklung bei Kleinkindern“ ist, „was Grenzverletzungen sind“ und was man „im eigenen Verhalten überprüfen sollte“. Sie befürchtet, dass durch die – wie sie es nennt – Kampagne gegen die Broschüre die „Unsicherheit“ von Eltern im Umgang mit ihren Kleinkindern „wieder wächst“. (3)

Tipps der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung = zeitgemäße Sexualerziehung?

Zur „normalen sexuellen Entwicklung von Kleinkindern“ erklärt der Ratgeber, dass es „nur ein Zeichen der gesunden Entwicklung ihres Kindes“ sei, „wenn es die Möglichkeit, sich selbst Lust und Befriedigung zu verschaffen, ausgiebig nutzt“. Wenn Mädchen dabei „eher Gegenstände zur Hilfe nehmen“, dann solle man das nicht als Vorwand benutzen, um die Masturbation zu verhindern“. (4) Zwar müssten die Eltern einschreiten, „wenn Verletzungsgefahr bei kleinen Kindern besteht“, aber schon bei etwa Fünfjährigen ließen sich diese Gefahren „auch im Vorfeld“ ansprechen. (5)

Wo „Grenzverletzungen“ beginnen, bleibt unklar. Denn Frau Philipps zufolge mögen Kinder „überall Liebkosungen“. Deshalb solle „das Kind beim Saubermachen gekitzelt, gestreichelt, liebkost“ und „an den verschiedensten Stellen geküsst“ werden. Dies sei vor allem für Mädchen wichtig, die „allein wegen der Anatomie“ weniger Aufmerksamkeit als Jungen bekämen. (6) Darüber hinaus geht der Ratgeber auch auf „kindliche Erkundungen“ der Intimsphäre Erwachsener ein. (7) Solche „Erkundungen“ sollen also offenbar keine „Grenzverletzung“ darstellen.

„Kinder, die die Genitalien ihrer Eltern erkunden sollen – das geht nicht“, meinte hierzu der Chef des Instituts für Kinderpsychologie Hannover, Wolfgang Bergmann im Kölner „Express“. (8) Irene Johns vom Vorstand des Deutschen Kinderschutzbundes befürchtete, dass Pädophile „solche amtlichen Anleitungen als Rechtfertigung benützen“ könnten. (9) Dass ihre Ratschläge „wirklich als Einladung für Pädophile angesehen“ werden könnten, bestätigt auch Ina-Maria Philipps. Pädophile Täter würden aber „alles Mögliche als Argument für ihre Rechtfertigung benützen“.

Ihren Kritikern wirft sie vor, „ohne fachliche Fundierung“ Vorwürfe zu erheben. Auch Eckhard Schroll, Abteilungsleiter Sexualaufklärung der BZgA, verteidigt den Ratgeber. „Das ist alles wissenschaftlich abgesichert“… „Das ist zeitgemäße Sexualerziehung“. (10) Ina-Maria Philipps bedauert die Diskussion um ihren Ratgeber. Sie „fände es schade, wenn das, was wir in den vergangenen 30 Jahren auf dem Gebiet der frühkindlichen Sexualpädagogik erreicht haben, zerstört würde“. (11)

„Errungenschaften“ der „kindlichen Sexualpädagogik“ oder Abgründe der deutschen „Sexualwissenschaft“? Helmut Kentler & Co

Dass eine „sexualfreundliche Pädagogik“ in der frühen Kindheit beginnen müsse, hatten Kritiker der herkömmlichen Kindererziehung schon vor über 30 Jahren gefordert. 

Der Psychologe Helmut Kentler behauptete, dass ein „gesundes Kleinkind“ ein Bedürfnis nach Onanie habe, das lediglich durch eine „repressive Sexualerziehung“ unterdrückt werde. Er forderte, dass – auch für Kleinkinder – „Vorstellungen emanzipierter Sexualität entwickelt werden“ müssten, die sich an einem „polymorph-perversen Spielcharakter der Sexualität“ orientieren könnten. (12) Er behauptete sogar, dass „nicht das erste Lächeln, sondern … die Spiele mit dem Genitale“ Ansätze des Kindes „zu ersten selbständigen und intelligenten Leistungen“ darstellten. (13)

Das „Charakteristikum einer wirklich sexualfreundlichen Erziehung“ sei es, dass Kinder ihren „Entdeckungsdrang frei ausleben“ können und ihre „Triebwünsche, die sie an Erwachsene stellen, nicht unter dem Druck von Verboten zu verdrängen“ brauchen. (14) Kentler empfahl deshalb auch Veränderungen des Inzesttabus zwischen Eltern und Kindern: Kinder sollten von der Sexualität der Erwachsenen nicht mehr ausgeschlossen werden, sondern „Erfahrungen“ machen dürfen. (15) 

Schon zu Beginn der 70er Jahre warnten Ärztinnen in einer Resolution an den Kultusminister von Niedersachsen: „Aufklärung, verstanden als Übermittlung von Sexualpraktiken des Erwachsenen oder gar als Erziehung zur Sexualität mit Sexualisierung des Kleinkindes und Aktivierung zwischengeschlechtlicher Praktiken oder gar Spielereien Erwachsener an Kindern, ist keine Sexualaufklärung, sondern Kinderverführung.“ (16)

Das Ziel Helmut Kentlers war es, auf die „experimentelle Situation des Sexuallebens“, besonders auch von Kindern, einzuwirken; Sexualerziehung „bewusst als politische Erziehung zu etablieren“ und das „in ihr verborgene gesellschaftliche Veränderungspotential“ zu aktivieren. (17) Verändern sollte diese Sexualerziehung „jene Untertanenhaltung“, die ein Gesellschaftssystem braucht, das auf die Herrschaft einiger und die Beherrschung vieler gegründet ist“. (18) Das bestehende Gesellschaftssystem sollte bekämpft und „überwunden“ werden. Angesichts dieses politischen Interesses hielten Helmut Kentler und seine Mitstreiter „Grenzverletzungen“ – auch zwischen Erwachsenen und Kindern – nicht nur für erlaubt, sondern sogar für notwendig und um des „Fortschritts“ willen für geboten.

Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre war der „renommierte Berliner Sexologe“ Helmut Kentler ein im SPIEGEL oft zitierter „Experte“ für viele Probleme des Seelenlebens der Deutschen. Als „psychologischer Berater“ des Westberliner Senats bescheinigte er – im Zusammenhang mit den Studentenunruhen – den Berliner Polizisten, dass sie sich verhielten, „wie ein Mensch sich allenfalls gegenüber Tieren verhalten darf“. (19) 

Er kritisierte das – damals noch verbreitete – getrenntgeschlechtliche Wohnen von Studenten, das u. a. Aggressionen, Trunksucht und Homosexualität fördere. (20) Besonders in Auseinandersetzungen um den damals noch recht neuen Sexualkundeunterrichts an Schulen wurde Kentler häufig als Kronzeuge einer „sexualfreundlichen Erziehung“ angeführt – gegen Pädagogen und Eltern, die „Sexualaufklärung“ in öffentlichen Erziehungseinrichtungen für problematisch und die Geschlechtserziehung für eine zunächst den Eltern zukommende Aufgabe hielten. (21)

In den 80er und 90er Jahren setzte sich Helmut Kentler für die Anliegen von Homosexuellen ein. (22) Wohl für dieses Engagement wollte ein Verband in der Berliner SPD ihn 1997 mit dem – damals erstmals verliehenen – „Magnus-Hirschfeld-Emanzipations-Preis“ ehren. Kurz vor Beginn der Zeremonie im Charlottenburger Rathaus wurde die Preisverleihung abgesagt. Grund dafür war ein Artikel in der Zeitschrift EMMA („Die Schreibtischtäter“) über die „offene Propagierung von Pädophilie durch deutsche Hochschulprofessoren“. 

EMMA zitierte den emeritieren Professor Kentler mit den Worten, dass der „echte Päderast“ „im allgemeinen keine Gewalt“ brauche. Denn „echte Pädophile“ seien „hochsensibel gegen Schädigungen von Kindern“. Unter einem „echten Päderasten“ verstehe Kentler „einen Mann, der seine Festgelegtheit kennt, akzeptiert und lebt“. Kentler wurde damals – nicht nur von der Zeitschrift EMMA – vorgeworfen, dass er in Gerichtsgutachten die Folgen sexueller Gewalt bagatellisieren würde. (23)

Helmut Kentler war in den 90er Jahren keineswegs der einzige deutsche „Sexualwissenschaftler“, der pädophile Handlungen verharmloste oder sogar rechtfertigte. So behauptete Rudolf Lautmann 1994, damals Direktor des Bremer Instituts für empirische und angewandte Soziologie, dass es ein „großer Irrtum“ sei, „die Unterschiede der Pädophilen- zur Erwachsenensexualität als Versagen und Mangel zu sehen“. 

Es handele sich bei der Pädophilie nicht um eine „defizitäre“, sondern um „eine anders geformte“ Sexualität. (24) Lautmann beschäftigte sich mit der Frage, ob „die Sexualskripte eines Mannes und eines Kindes“ so zusammenwirken könnten, dass sich „eine stimmige Situation ergibt“. (25) Im Blick auf solche Aussagen fragte Gerhardt Amendt, Professor für Geschlechter- und Generationenforschung an der Universität Bremen, ob die deutsche Sexualwissenschaft noch über Maßstäbe für „Kultur- und Subjektverträglichkeit“ verfüge oder ob sie „eine wissenschaftlich sich gebärdende Dependance von Beate Uhse“ sei. (26)

„Tipps“ für missbräuchliche Beziehungen – von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung als Elternbildung verbreitet

Maßstäbe der „Kultur- und Subjektverträglichkeit“, insbesondere des Kindeswohls, vermisst Gerhard Amendt auch in der Broschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele“. In diesem Ratgeber werden – anders als in einigen Aufklärungsschriften der 70er Jahre (27) – nicht mehr offen „Sexualspiele“ zwischen Kindern und Erwachsenen propagiert. 

Vielmehr betreibt der Ratgeber nach der Analyse von Gerhard Amendt ein „Versteckspiel“, indem er Forderungen und deren Konsequenzen „im Text verstreut platziert“. „Erst die Durchforstung des kodierten Dickichts“ lasse die „genderpolitischen Absichten erkennen“. Zu diesen gehöre es, Unterschiede nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern auch zwischen Erwachsenen und Kindern einzuebnen.

Bewusst verwischt würde deshalb die grundsätzliche Differenz zwischen der erotischen Liebe der Eltern untereinander und der zärtlichen Liebe zwischen Eltern und Kindern. So empfehle die Broschüre, das Kind nicht von der – manchmal geräuschvoll sich äußernden – Leidenschaft seiner Eltern auszuschließen. Die Eltern sollten das Kind zu sich ins Bett nehmen und ihm erklären, dass dies sei wie beim kindlichen Spiel – da gehe es ja mitunter auch recht laut zu. (28) Was ist nun mit Eltern, denen solche Ratschläge nicht einleuchten? Gehören sie zu den die Sexualität leugnenden oder verheimlichenden „Konservativen“ – wie SPIEGEL ONLINE die Kritiker der Broschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele“ nannte? (29)

Dem Ratgeber „Körper, Liebe, Doktorspiele“ zufolge gelten – so die Analyse von Gerhard Amendt – „letztlich nur solche Eltern als aufgeklärt“, die die Neugier ihrer Kinder auf die Intimsphäre der Eltern wecken und sie „zur taktilen Erkundung erfolgreich ermutigen“. (30) 

Dass sich Kinder „Erkundungen“ der Intimsphäre von Erwachsenen wünschten, ist eine Behauptung, die von Pädophilen vorgebracht wird, wenn sie als Angeklagte vor Gericht stehen. (31) 

Ähnlich argumentierte auch der Soziologe Rudolf Lautmann 1994 in seinem Buch „Die Lust am Kind“. Aus seinen Studien über „Die Handlungsstrategien gewaltlos vorgehender pädophiler Männer“ schloss er, dass die „pädophile Sexualform“ über „ein ungewöhnlich differenziertes Konzept zum Konsens“ verfüge. (32) Lautmann bedauerte, dass die „sexuelle Sozialisation“ von Kindern bislang zu ungeordnet verlaufe. (33) Als Akteure einer planvolleren „sexuellen Sozialisation“ und als einfühlsame Sexualaufklärer der Jugend empfahl er die „echten“ Pädophilen. Sie seien immer dann gefragt, wenn Eltern der sexuellen Neugierde ihrer Kinder nicht gewachsen seien. (34)

Wegbereiter für die Pädophilen

Indem sie „taktile Erkundungen“ im Intimbereich zwischen Eltern und Kindern propagieren, passen sich die Erziehungsanleitungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – wie Gerhard Amendt darlegt – „maßgeschneidert“ jener „pädophilen Propaganda“ an, die „sexuellen Missbrauch als Segnung für Kinder, als Grundlage der Kultur, des Glücks und der Beziehungsfähigkeit“ beschreibe. (35) Amendt konstatiert, dass das Familienministerium über mehrere Jahre Empfehlungen für missbräuchliche Beziehungen als Elternbildung gefördert hat.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern, vor allem von Töchtern, durch Väter war besonders in den 90er Jahren ein vieldiskutiertes Problem. Im Verlauf dieser Diskussion konnten Väter den Eindruck gewinnen, dass Liebkosungen ihrer Töchter leicht die Grenze zum Missbrauch überschreiten. Angesichts dieser Debatte war für Väter die Schlussfolgerung, mit Zärtlichkeiten gegenüber ihren Töchtern zurückhaltend zu sein, nahe liegend. 

Dass die völlig entgegen gesetzten Empfehlungen aus „Körper, Liebe, Doktorspiele“ Eltern und besonders Vätern, die richtigen „Grenzen“ aufzeigen und mehr „Sicherheit“ im Umgang mit ihren kleinen Kindern vermitteln, darf wohl bezweifelt werden. Gerhard Amendt wundert sich deshalb, dass „trotz ständiger Debatten über sexuellen Missbrauch weder Wissenschaftler, Kinderschutzbund, Häuser für geschlagene Frauen, Eltern, Berufsverbände und Kirchen dagegen Sturm gelaufen sind“ . (36)

Anmaßung von „Experten“ vs. gesunder Menschenverstand von Eltern 

Der Ratgeber „Körper, Liebe, Doktorspiele“ behauptet, dass Eltern ihren Kindern die Sexualität nahebringen sollten wie das Lesen, den Unterschied zwischen roten und grünen Ampeln und vieles andere mehr. Er suggeriert – wie Amendt analysiert – dass, wenn die Eltern den eigenen Kindern ihren Körper zum Betasten und Befühlen zugänglich machten, ihre Kinder weniger Neugier in Bezug auf die Sexualität entwickeln würden. 

Dies werde den Eltern als Belohnung für ihre Bereitschaft zu „taktilen Erkundungen“ „geweissagt“. Wenn sie sich dagegen solcher „Aufklärung“ widersetzten, „dann würden ihre Kinder erst richtig sexbesessen werden“. An dieser Stelle verkehre sich „die ratgeberische Unterweisung an die Eltern in eine offene Drohgebärde“. (37)

Solche Drohgebärden von „Experten“ sind nicht neu: „Je verklemmter die Erziehung“ sei, desto pornographischer würden die Phantasien der Schüler – behauptete 1971 der SPIEGEL unter Berufung auf Helmut Kentler. (38) Weder Psychologie noch Psychiatrie haben solche Weissagungen bisher stichhaltig bestätigen können. Auch der SPIEGEL dürfte kaum bestreiten, dass in den vergangenen Jahrzehnten trotz gewachsener sexueller Freizügigkeit die Pornographie keineswegs zurückgegangen ist. „Dass der Zugang zu den Sexualorganen der Erwachsenen die Kinder verstört oder traumatisiert“, zeigt dagegen die Psychotherapie von Missbrauchten“. (39) Die Gewissheit, dass „Sexualspiele“ zwischen Erwachsenen und Kindern missbräuchlich und gefährlich sind, hat sich erhärtet.

Seit den 70er Jahren wird versucht, Eltern durch Literatur, behördliche Ratgeber und vor allem Medienberichte über eine angeblich moderne, „sexualfreundliche Pädagogik“ zu belehren. Dabei werden auch höchst fragwürdige, sogar missbräuchliche Empfehlungen als „wissenschaftlich fundiert“ und pädagogisch fortschrittlich ausgegeben. Als Gewährsleute für die „Wissenschaftlichkeit“ solcher Empfehlungen treten Interessenvertreter auf, die von Magazinen wie dem SPIEGEL als Vertreter der „Fachwelt“ dargestellt werden. 

Ohne solche Unterstützung wäre einem „Experten“ wie Helmut Kentler wohl kaum jemals größere Aufmerksamkeit zuteil geworden.
Eltern und Familien werden aber nicht nur durch Medien und ihre „Experten“ fragwürdige Empfehlungen zur Sexualerziehung vermittelt. Die sexualpädagogischen Ratschläge kommen darüber hinaus von staatlichen Behörden wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und ihren „Beratern“. „Heute schüchtern regierungsamtliche Ratgeber die Eltern ein, um ihren Kindern vermeintlich Gutes zu tun“ – beschreibt Gerhard Amendt die Lage. (40) 

Gegenüber der „Expertise“ von Behörden und Medien soll „die Laienschaft, repräsentiert durch kritische Eltern, von minderer Urteilskraft „in intimen Fragen der Erziehung ihrer Kinder sein“. (41) Angesichts einer solchen „Einschüchterungskulisse“ hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung festgestellt, dass mit Empfehlungen wie in „Körper, Liebe, Doktorspiele“ ein „behördlicher Gesundheitsratgeber“ seine Kompetenz überschreitet: „Es gibt nämlich die pädagogischen Sexualspezialisten nicht, vor deren wissenschaftlicher Expertise das eigene Urteil zu verstummen hätte“. (42)

In eine „Untertanenhaltung“ gegenüber sich aufklärerisch gebärdenden Behörden, Medien und „Experten“ sollten Eltern deshalb nicht verfallen. Denn ein besserer Ratgeber als Nachrichtenmagazine und „Sexbehörden“ (FAZ) bleibt – weit über die Geschlechtserziehung hinaus – der gesunde Menschenverstand. 

Der sagt Eltern in der Regel deutlich, wo zwischen Kindern und Erwachsenen Grenzen zu ziehen sind. Dass Kinder nicht manipuliert und verstört werden dürfen, sondern – besonders auch in Bezug auf die Sexualität – behutsam aufzuklären sind, sollte für um das Wohl ihrer Kinder besorgte Eltern selbstverständlich sein. Schließlich sollen aus den Kindern später reife und glückliche Erwachsene werden, die selber Familien gründen und Kinder liebevoll und verantwortlich erziehen.


Anmerkungen

(1) Alexander Gramsch: „Körper, Liebe, Doktorspiele“ – Ärger um Aufklärungsbroschüre, in: Märkische Allgemeine Zeitung vom 4./5.8.2007 sowie Vera Gaserow: Schwierige Aufklärung, in Frankfurter Rundschau vom 1.8.2007.
(2) Vgl. Franziska Badenschier: Körper, Liebe, Doktorspiele: Experten haben an umstrittener Broschüre nichts auszusetzen, SPIEGEL ONLINE vom 6.8.2007.
(3) Vgl. Ebd.
(4) Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Körper, Liebe, Doktorspiele – 1.-3. Lebensjahr, Köln 2001, S. 25.
(5) Vgl. Franziska Badenschier im Interview mit Ina-Maria Philipps: Umstrittene Aufklärungsbroschüre: „Ich habe keine Sex-Tipps gegeben“, in: SPIEGEL ONLINE vom 6.8.2007.
(6) Dass „Scheide und vor allem Klitoris“ „kaum Beachtung durch Benennung und zärtliche Berührungen (weder seitens des Vaters noch der Mutter)“ erführen, „erschwere“ es für das Mädchen, „Stolz auf seine Geschlechtlichkeit zu entwickeln“.
Vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Körper, Liebe, Doktorspiele – 1.-3. Lebensjahr, Köln 2001, S. 27.
(7) So wird darauf hingewiesen, dass „kindliche Erkundungen der Genitalien Erwachsener „manchmal Erregungsgefühle bei den Erwachsenen auslösen“ können. Vgl. Ebd.
(7) Vgl. Ebd., S. 27.
(8) Vgl. Deutsche Familienministerin zieht Skandal-Aufklärungsbroschüre ein, Katholischer Nachrichtendienst kath.net vom 1.8.2007.
(9) Vgl. Lorenz Jäger: Hautnah. Sexbehörden: Barack Obama und Ina-Maria Philipps, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.8.2007, S. 35.
(10) Vgl. Deutsche Familienministerin zieht Skandal-Aufklärungsbroschüre ein, Katholischer Nachrichtendienst kath.net vom 1.8.2007.
(11) Vgl. Franziska Badenschier: Körper, Liebe, Doktorspiele: Experten haben an umstrittener Broschüre nichts auszusetzen, SPIEGEL ONLINE vom 6.8.2007.
(12) Vgl. Helmut Kentler: Sexualerziehung, Rowohlt Verlag Hamburg 1970, zitiert nach: Christa Meves: Manipulierte Maßlosigkeit, Freiburg im Breisgau 1972, S. 103.
(13) Vgl. Ebd. S. 86.
(14) Vgl. Ebd., S. 94.
(15) Nach Kentler sollten Kinder von der Sexualität der Erwachsenen nicht ausgeschlossen werden, „sondern die Erfahrung machen können, dass Versuche, miteinander zu koitieren, an der Enttäuschung der Unangemessenheit scheitern“ , zitiert nach: Christa Meves: Manipulierte Maßlosigkeit, Freiburg im Breisgau 1972, S. 84.
(16) Vgl.: Christa Meves: Manipulierte Maßlosigkeit, Freiburg im Breisgau 1972, S. 93.
(17) Vgl. Helmut Kentler: Sexualerziehung, Hamburg 1970, zitiert nach: Christa Meves: Manipulierte Maßlosigkeit, Freiburg im Breisgau 1972, S. 84.
Gamm, Hans-Joachim: Streitfragen der Bildungspolitik, 1967; Kritische Schule. Eine Streitschrift für die Emanzipation von Lehrern und Schülern, München 1970; Erziehung in der Klassengesellschaft (Hrsg.), München 1970; Das Elend der spätbürgerlichen Pädagogik, 1972; Bilanz der Sexualpädagogik, 1977; Mündigkeit zur Neufassung materialistischer Pädagogik, 1997.
Gamm schrieb in „Kritische Schule“ (S. 78): „Die Schule hat das Lernen der (geschlechtlichen) Liebe zu ihrer wichtigsten sozialpädagogischen Aufgabe zu machen.“ Hierfür soll sie Räume schaffen „in denen die Schüler beider Geschlechter unkontrolliert verweilen können und die Möglichkeit erotischer Kommunikation besitzen.“ Die Bildungsplanung habe zur „geschlechtlichen Selbstbefreiung der Schüler“ beizutragen, weswegen gefordert wird die Einübung sexueller Praktiken in Schulprogramme aufzunehmen. Gamm schrieb ferner, dass „emanzipatorische Erziehung“ u.a. auch die Ermöglichung libidinöser Gruppenerfahrung im Erlernen der Liebe“ bedeute.
Als weiteres Beispiel: Breddermann, Hanjo: Über Sexualaufklärung in der Schule, in: Amendt, Günter (Hrsg.): Kinderkreuzzug oder beginnt die Revolution in den Schulen, Reinbek 1968. Breddermann fordert hier, dass die Schüler „die Schule nach ihren sexuellen Bedürfnissen gestalten können“ (S. 154).
(18) Vgl. N. N.: Sexualunterricht: An der Gurgel, in: DER SPIEGEL, Ausgabe Nr. 24 von 1969, S. 55.
(19) Vgl. N.N.: Polizei: Feind im Inneren, in: DER SPIEGEL, Ausgabe Nr. 33 von 1967, S. 33.
(20) Vgl. N.N.: in: DER SPIEGEL, Ausgabe Nr. 36 von 1968, S. 60.
(21) Vgl. N. N.: Sexualunterricht: An der Gurgel, in: DER SPIEGEL, Ausgabe Nr. 24 von 1969, S. 52-54 sowie .N.N.: Sexualaufklärung: Einiges zur Technik, in DER SPIEGEL Ausgabe, Nr. 4 von 1971, S.114. Der letztere Artikel berichtet, dass Kentler 1971 als Gutachter die im „Verlag Neue Kritik“ erschienene „Sexualinformation für Jugendliche“ als „das beste Aufklärungsbuch für Jugendliche, das derzeit in deutscher Sprache vorliegt“ verteidigte. Ein Aushilfslehrer hatte dieses Buch in zwei Mädchenklassen herum gehen lassen und eine Sammelbestellung für Schülerinnen organisiert. Nachdem ein Vorgesetzter des Lehrers den Eltern Zitate aus dem Buch vorgelesen hatte, stimmten diese mehrheitlich dafür, den Lehrer zu entlassen. In dem Buch hieß es unter anderem, dass die „praktische möglichkeit zu sexueller betätigung“ „immer noch eine frage des sozialen status“ und dass Sodomie –„ wenn man das tier nicht misshandelt“ erlaubt sei, um „seinen geschlechtstrieb auf diese weise zu befriedigen“.
(22) Vgl. N. N: Bremer Rat und Tat Zentrum.
(23) Vgl. Ursula Enders: Zart war ich, bitter war’s. Handbuch gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen, hrsg. von Ursula Enders Kiepenheuer & Witsch, Köln 1995, S. 308-309.
Die Berliner „Tageszeitung“ kritisierte die Intervention von EMMA scharf in einem Artikel „Wie die Zeitschrift Emma verhinderte, dass der Sexualwissenschaftler Helmut Kentler den ,Magnus-Hirschfeld-EmanzipationsPreis‘ bekam“. Helmut Kentler brachte in der ,taz‘ zu seiner Rechtfertigung folgendes vor: Er sei in den vergangenen sechs Jahren in „fast 30“ Gerichtsprozessen wegen sexuellen Missbrauchs als Gutachter aufgetreten: „Ich bin sehr stolz darauf, dass bisher alle Fälle, in denen ich tätig geworden bin, mit Einstellungen der Verfahren oder sogar Freisprüchen beendet worden sind.“ EMMA kommentierte dies wie folgt: „Nicht in zwei oder zwanzig Fällen waren die Beschuldigten laut Gutachter Kentler unschuldig, sondern in allen: in 30 von 30! Für den pädophilenfreundlichen Helmut Kentler scheint es den sexuellen Missbrauch an Kindern also überhaupt nicht zu geben.“ Vgl. Überrollt die Psycho-Welle das Recht, in: EMMA November/Dezember 1997, S. 30-38.
(24) Vgl. Rüdiger Lautmann: Die Lust am Kind, Hamburg 1994, S. 98, zitiert nach: Gerhardt Amendt, Pädophilie oder: Über sexualwissenschaftliche Trivialisierungen inzestartiger Handlungen, in: Leviathan – Zeitschrift für Sexualwissenschaft, Jahrgang 25 – 1997, Heft 2, S. 1.
(25) Vgl. Ebd., S. 77, zitiert nach: Gerhardt Amendt: Pädophilie oder: Über sexualwissenschaftliche Trivialisierungen inzestartiger Handlungen, in: Leviathan – Zeitschrift für Sexualwissenschaft, Jahrgang 25 – 1997, Heft 2, S. 8.
(26) Vgl. Gerhardt Amendt: Pädophilie oder: Über sexualwissenschaftliche Trivialisierungen inzestartiger Handlungen, in: Leviathan – Zeitschrift für Sexualwissenschaft, Jahrgang 25 – 1997, Heft 2, S. 1.
(27) Vgl. Christa Meves: Manipulierte Maßlosigkeit, Freiburg im Breisgau 1972, S. 92-93.
(28) Vgl. Prof. Gerhard Amendt: Kinderliebe, Elternliebe, WELT DEBATTE – Die Seite für Meinung und Diskussion von WELT ONLINE vom 25.10.2007.
(29) Vgl. Franziska Badenschier im Interview mit Ina-Maria Philipps: Umstrittene Aufklärungsbroschüre: „Ich habe keine Sex-Tipps gegeben“, in: SPIEGEL ONLINE vom 6.8.2007.
(30) Nach der Analyse von Gerhard Amendt propagiert der Ratgeber, dass „wenn die Tochter neugierig auf das väterliche Genital ist“, sich der Vater nicht zieren und umgekehrt die Mutter sich dem neugierigen Sohn nicht verweigern dürfe.
Vgl. Prof. Gerhard Amendt: Kinderliebe, Elternliebe, WELT DEBATTE – Die Seite für Meinung und Diskussion von WELT ONLINE vom 25.10.2007.
(31) Vgl. Ebd.
(32) Vgl.: Rüdiger Lautmann: Die Lust am Kind, Hamburg 1994, S. 98, zitiert nach: Gerhardt Amendt, Pädophilie oder: Über sexualwissenschaftliche Trivialisierungen inzestartiger Handlungen, in: Leviathan – Zeitschrift für Sexualwissenschaft, Jahrgang 25 – 1997, Heft 2, S. 1.
(33) Vgl. Rüdiger Lautmann: Die Lust am Kind, Hamburg 1994, S. 60, zitiert nach: Gerhardt Amendt: Pädophilie oder: Über sexualwissenschaftliche Trivialisierungen inzestartiger Handlungen, in: Leviathan – Zeitschrift für Sexualwissenschaft, Jahrgang 25 – 1997, Heft 2, S. 12.
(34) Vgl. Ebd. sowie Prof. Gerhard Amendt: Kinderliebe, Elternliebe, WELT DEBATTE – Die Seite für Meinung und Diskussion von WELT ONLINE vom 25.10.2007,
.(35) Vgl. Ebd.
(36) Vgl. Ebd.
(37) Vgl. Ebd.
(38) Vgl. Sexualität: In den Untergrund, DER SPIEGEL Ausgabe Nr. 22, 1971, S. 99-100.
(39) Vgl. Prof. Gerhard Amendt: Kinderliebe, Elternliebe, WELT DEBATTE – Die Seite für Meinung und Diskussion von WELT ONLINE vom 25.10.2007.
(40) Vgl. Ebd.
(41) Vgl. Lorenz Jäger: Hautnah. Sexbehörden: Barack Obama und Ina-Maria Philipps, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.8.2007, S. 35.
(42) Vgl. Ebd.