Kinder brauchen Mütter: Die Risiken der Krippenbetreuung

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Hanne K. Götze

Ares Verlag


Noch vor wenigen Jahren hätte man den Buchtitel für eine Plattitüde gehalten, so selbstverständlich erschien es jedem, dass zu einem Kind eine Mutter gehört. Geändert hat sich das nach dem Willen der Politik: Das Mantra „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist zur einzig bestimmenden Blickrichtung auf die Familie geworden. Immer früher und flächendeckender werden Kleinkinder in die Kinderkrippen geschickt, gefördert mit vielen Milliarden und entgegen der Erkenntnis, wie traumatisch es auf viele Kinder wirkt.

Erfahrungen aus der ehemaligen DDR

Die Stärke des von Hanne K. Götze vorgelegten Buches, das auf jeder Seite vor den bis ins Erwachsenenalter hineinreichenden Schäden der Krippenbetreuung warnt, liegt in ihrer eigenen Erfahrung, die sie in der DDR mit fast 100% Krippenbetreuung machen konnte und woraus sie für ihre 4 Kinder entsprechende Schlüsse gezogen hat. Das ganze Buch ist eine Sammlung von vielen Erfahrungen, oft schmerzlichen, die sie selbst als Stillberaterin erlebte oder aus ihrem Bekanntenkreis erzählt bekam. Die Fülle der Beispiele, die sie zusammengetragen hat, entstammen sowohl der Betreuungs-Kultur in der DDR-Zeit, als auch aus den letzten Jahren in der BRD, wo der Druck auf Mütter immer mehr zunimmt, ihre Kinder mit einem Jahr und sogar darunter in die Krippe zu geben, um möglichst früh wieder in den Beruf einsteigen zu können.

In neun Kapiteln analysiert die Autorin die Grundbedürfnisse der Kinder in den ersten drei Lebensjahren, die gesellschaftliche Situation mit ihrem Druck auf die Mütter und kommt zum Schluss zu einer Reihe von Forderungen an die Gesellschaft, die alle von echter Wahlmöglichkeit der Familien bestimmt sind.

Zur Bindungsunfähigkeit vorprogrammiert

Die Bindungsforschung liefert viele wissenschaftliche Beweise dafür, wie entscheidend es für das ganze spätere Leben ist, dass ein Mensch in den ersten drei Lebensjahren Geborgenheit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, kurz Liebe erfährt. Wechselndes Personal, große Krippengruppen, mangelnde Zuwendung, zu wenig Eingehen auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes führen dazu, dass im späteren Leben Schäden und Probleme auftreten, die eine psychiatrische Behandlung erfordern, um diese frühen Defizite aufzuarbeiten.

Die Mutter ist die erste Wahl für die Betreuung eines Kindes, ihre Nähe, ihr intensiver Kontakt, ihre Zuwendung, ihre Vertrauensstiftung in das Leben, ihre Liebe – nach all dem sehnt sich ein kleines Kind, das noch ganz abhängig ist von den Erwachsenen. Die Fülle der angeführten Beispiele aus der Fremdbetreuung in Krippen zeigen anschaulich, wie viele Kinder sich dagegen sträuben „abgegeben“ zu werden, wie sie apathisch werden, verstört sind, ängstlich werden. All das führt zu teuer und aufwendig zu therapierenden Spätfolgen. Die Autorin belegt, wie die eigene schlechte Erfahrung als Kind weitergegeben wird an die nächste Generation: heutige Mütter, die als Kinder nicht die Nähe ihrer eigenen Mutter erfahren haben, sind unfähig, ihren eigenen Kindern weiterzugeben, was sie selbst als Kinder nicht erhalten haben.

Der gesellschaftliche Druck

Der hohe Stellenwert der Berufsarbeit führt dazu, dass die für die Gesellschaft noch wichtigere Erziehungsleistung der Eltern, da nicht bezahlt, keine gleichwertige Anerkennung erfährt. Die von der Autorin angeführten Beispiele zeigen, dass gerade Frauen immer wieder unter Rechtfertigungsdruck geraten, wenn sie ihren Beruf als Hausfrau und Mutter angeben. Sie sind damit als nicht vollwertig von der Gesellschaft akzeptiert, obwohl ihr Dienst für die Gesellschaft gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Um die Mütter, die sich dafür entscheiden, die ersten Jahre bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben, zu unterstützen, greift H. Götze die bekannten Gegenargumente auf und setzt sich damit sachlich auseinander, wie die auf die Mutter zielenden: „Du versauerst am Herd“, „Du verwöhnst dein Kind“, „Wo bleibt deine Selbstverwirklichung?“, „Mythos Mutter“: oder diejenigen, die auf die Vorteile der Krippenbetreuung abzielen, wie „Krippen steigern die Geburtenrate“, „Krippen sind gut für sozial benachteiligte Kinder“, „Krippen sind Bildungseinrichtungen“ etc. Auch hier lohnt es sich, die praktischen Erfahrungen der Autorin zu überdenken.

Ein Dilemma und Lösungsansätze

Die Autorin verkennt keineswegs die finanziellen Zwänge, in die viele Familien geraten, und die eine doppelte Elternberufstätigkeit erfordern, damit eine Familie angemessen leben kann. Daher macht sie im letzten Kapitel eine Reihe von Vorschlägen, die alle ein Ziel haben: den Eltern die freie Entscheidung darüber zu überlassen, ob sie ihre Kinder unter drei Jahren zu Hause halten wollen oder in die Krippe geben.

Ihre Forderungen an die Politik gehen daher von einem Umdenken aus: die Kinder und nicht den Beruf in den Mittelpunkt zu stellen, die Erziehungstätigkeit entsprechend zu bezahlen, Steuergerechtigkeit für Familien, mehr Halbtags-Angebote an Mütter zu machen, den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern, etc.

Aber auch die Medien nimmt die Autorin in die Pflicht, wenn sie schreibt: „Wenn also die Medien aufklärend tätig werden wollten, dann wäre es jetzt an der Zeit, Themen wie Stillen, Mutter-Kind-Bindung, mütterliche Empathie, aber auch die Risiken der frühen Trennung und Fremdbetreuung usw. und ihre Bedeutung für das Kind, in ihren Programmen zu etablieren.“

Hanna K. Götze hat ein notwendigen Erfahrungsbericht aus eigenem Erleben in der DDR vorgelegt, aus dem bisher unsere Familienpolitiker keine Konsequenzen gezogen haben.