Unter den neuzeitlichen christlichen Schriftstellern wird niemand so sehr mit Weihnachten verbunden, wie Gilbert Keith Chesterton (1874-1936). Kein Wunder. Hat sich doch auch niemand sonst so häufig und dezidiert mit den mannigfaltigen Facetten des Weihnachtsfestes auseinandergesetzt wie der 1874 im Londoner Stadtteil Kensington geborene Sohn eines Immobilienmaklers. In seinen wöchentlichen Kolumnen für die „Daily News“ und „The Illustrated London News“, seinen Essays, Kurzgeschichten und Gedichten, ist Weihnachten ein stets wiederkehrendes Thema. Die Aufzählung von Titeln wie „The New Christmas“ (Die Neue Weihnacht), „The Winter Feast“ (Die Geschichte des Weihnachtsfestes), „The Heart of Bethlehem“ (Das Herz von Bethlehem), „Keeping the Spirit of Christmas“ (Den Geist von Weihnachten behalten), „Some Fallacies and Santa Claus“ (Einige Irrtümer und der Weihnachtsmann), „The Enemy on Christmas“ (Der Feind der Weihnacht), „The God in the Cave“ (Der Gott in der Höhle), vermag nicht bloß einen ersten Eindruck von dem Facettenreichtum zu vermitteln, die Chesterton der Beschäftigung mit Weihnachten abrang, sie ließe sich zudem auch beinah endlos fortsetzen.

Weihnachten feiern mit Chesterton ist also sicher eine lohnende, wenn auch, anders als seine Gedanken dazu, keine sonderlich originelle Idee mehr. Wer sie trotzdem noch nie in die Tat umgesetzt hat, kann damit auch genauso gut bis zum nächsten Jahr warten, wenn nämlich die ganze Welt den 150. Geburtstag (29. Mai) des zum katholischen Glauben konvertierten Schriftstellers und Journalisten feiern wird. Wer stattdessen in diesem Jahr Weihnachten noch mit jemandem anderen als der heiligen und der eigenen Familie feiern will, dem bietet sich heuer eine geradezu kongeniale Gelegenheit, den eigenen Horizont zu erweitern.

Auch er war, obgleich kein Katholik, ein Genie. Seine 40 Bücher, übersetzt in viele Sprachen, haben sich bis heute weit mehr als 200 Millionen Mal verkauft.[1] Ein Dichter und Denker der Superlative. Und das bereits zu Lebzeiten. Im September 1947 widmete das „Time“-Magazin ihm eine Titelstory. Da war er 48 Jahre alt. Die „Headline“: „Don v. Devil“.[2] Zugegeben, eine hübsche Alliteration. Und doch zugleich so viel mehr. Die Titelgeschichte, die, ein journalistisches Denkmal zu nennen, nicht übertrieben ist, zeichnet das Porträt eines Mannes, dem viele seiner Kollegen in Oxford den Erfolg neideten, den er nicht zuletzt unter Studenten genoss: „als beliebtester Dozent der Universität“, als gefeierter „Bestsellerautor“ und als „einer der einflussreichsten Vertreter des Christentums in der englischsprachigen Welt“.[3] Äußerer Anlass war die bevorstehende Erscheinung seines Buches „Miracles. A Preliminary Study“ (Wunder. Eine vorbereitende Untersuchung). Seine Kernthese: Aufgrund seiner Allmacht kann Gott nicht bloß theoretisch in die von ihm geschaffene Natur eingreifen. Er hat dies auch bereits unter Beweis gestellt. Vor allem aber zollt das Porträt dem Werk Tribut, mit welchem dem Iren fünf Jahre zuvor der Durchbruch gelungen war: „The Screwtape Letters“ (Dienstanweisungen an einen Unterteufel). „Don v. Devil“ – misst man die Größe eines Menschen an der seine Feinde, geht mehr nicht.

Die Rede ist von Clive Staples Lewis (1898–1963), der am 29. November diesen Jahres 125 Jahre alt geworden wäre. Vor zehn Jahren, am 22. November 2013, Lewis 50. Todestag, wurde in der Westminster Abtei in London sein Gedenkstein enthüllt. Dort, wo sonst die gekrönten Häupter Englands inthronisiert werden, steht er seitdem in „poets‘ corner“, wie dieser Teil des Querschiffs auch genannt wird. In einer Reihe mit William Shakespeare (1564–1616), John Milton (1608–1674) und T.S. Elliot (1888–1965). Mehr geht auch hier nicht. Die Inschrift: „Ich glaube an Christus, so wie ich glaube, dass die Sonne aufgegangen ist, nicht nur, weil ich sie sehe, sondern weil ich durch sie alles andere sehen kann.“ In Belfast, wo „Jack“, wie Lewis, der seine beiden Vornamen nicht mochte, sich später von Freunden nennen ließ, das Licht der Welt erblickte, stehen auf dem „C.S. Lewis Square“ nicht eine Skulptur, sondern gleich sieben. Charaktere aus den sieben Bänden der „Chroniken von Narnia“, allen voran der Löwe Aslan, der Christus symbolisiert. Die, in erster Linie für Kinder und Jugendliche geschriebenen „Chroniken von Narnia“, sind nicht nur Lewis populärsten Werke, sie eignen sich auch, um die stillen Stunden der kommenden Festtage gewinnbringend zu füllen. Und wem das Fernsehprogramm an Weihnachten auch in diesem Jahr nicht zusagt, der hat die Möglichkeit, sich die „Disney“-Verfilmungen der drei ersten Bände der „Chroniken von Narnia“ aus den Jahren (1988, 1989 und 1990) anzusehen, die zusammen weltweit mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar einspielten. Klar, eingefleischte Lewis-Fans werden dabei empfindliche Einbußen hinnehmen müssen, aber alle anderen vermögen die Disney-Adaptionen angenehm und deutlich höherstehend zu unterhalten, als man es aus diesem Hause gemeinhin gewohnt ist.

Wer Weihnachten mit Lewis feiern will, ist jedoch gut beraten, sich nicht nur mit den Fantasy-Romanen auseinanderzusetzen, die ihn populär gemacht haben. Denn Lewis war nicht nur ein Schriftsteller, der ähnlich wie der Katholik John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973) ganze Welten erschuf. Er war auch ein hoch angesehener Literaturwissenschaftler und Philosoph. Als Letzter fand der Gigant des Geistes schließlich auch zum Christentum. In seinem lesenswerten, in diesem Jahr erschienen Buch „C.S. Lewis: Überrascht von Gott. Wie der große christliche Denker zum Glauben fand“[4] zeichnet der C.S. Lewis-Experte Norbert Feinendegen Lewis Suche nach der Wahrheit und seine schrittweisen Wandlungen von einem überzeugten Materialisten zum Realisten, Idealisten, Theisten und Christen nach. Auch wenn der Glaube für Christen immer ein Geschenk bleiben wird, das Gott den Menschen anbietet, so ist doch der Glaube von C.S. Lewis einer, der „im Feuer des neuzeitlichen Gotteszweifels“[5] gehärtet und gestählt wurde. Wie wenige andere hat Lewis, der als Literaturwissenschaftler mit Sagen und Mythen bestens vertraut war, das Christentum und seine Ansprüche so lange einem unerbittlichen Stresstest unterzogen, bis er sich – entgegen seiner ursprünglichen Absicht – zur Kapitulation gezwungen sah. „Sie müssen sich vorstellen“, schreibt Lewis in seiner Autobiografie über seine Bekehrung, deren Finale sich in seinem Dozenten-Zimmer im Magdalen College in Oxford vollzog, „wie ich allein Abend für Abend in jenem Zimmer in Magdalen saß und, wann immer mein Geist sich auch nur für eine Sekunde von meiner Arbeit erhob, das stetige, unaufhaltsame Nahen dessen spürte, dem nicht zu begegnen ich mir so ernsthaft wünschte. Was ich so sehr fürchtete, hatte mich endlich eingeholt. Im Trinity Term 1929 lenkte ich ein und gab zu, dass Gott Gott war, und kniete nieder und betete; vielleicht in jener Nacht der niedergeschlagenste und widerwilligste Bekehrte in ganz England.“[6]

Der anfängliche Widerwille gegen Gott verwandelte sich schon bald in eine glühende Leidenschaft für Gott. Eine, die Lewis zu einem Apologeten dessen werden ließ, was allen christlichen Konfessionen gemeinsam ist. Sein „messerscharfes Denken“[7], das in Monografien wie „The Abolition of Man“ (Die Abschaffung des Menschen), „The Problem of Pain“ (Über den Schmerz), „The Four Loves“ (Die vier Arten der Liebe), „The Great Divorce“ (Die große Scheidung) besichtigt werden kann, aber auch in Textsammlungen, wie dem von Norbert Feinendegen herausgegebenen Band „C.S. Lewis Durchblicke – Texte zu Fragen über Glauben, Kultur und Literatur“ entrümpelt die Dachstube und gönnt dem eigenen Führerhäuschen eine Grundreinigung, die sich gewaschen hat. Wer es noch kürzer mag, der kann auch der englischsprachigen Webseite „workoutyourfaith.org“ einen Besuch abstatten. Dort werden unter unter der Überschrift „Advent Reflections with C.S. Lewis“ [8] den ganzen Advent über „Scripture readings“ mit einem passenden Lewis-Zitat samt der Fundstelle aus seinem Werk präsentiert.

[1] Stefan Rehder: „Gottes Terrier oder der letzte Prophet“, in: „Die Tagespost“ v. 16. November, S. 2.

[2] „Don v. Devil“, in: Time Magazine, 8. September 1947. https://content.time.com/time/subscriber/printout/0,8816,804196,00.html

[3] Ebenda.

[4] Norbert Feinendegen: „C.S. Lewis: Überrascht von Gott. Wie der große christliche Denker zum Glauben fand“, 2023.

[5] Stefan Rehder: „Im Feuer des Zweifels geläutert“. Interview mit Norbert Feinendegen. In: „Die Tagespost“ v. 16. November, S. 3.

[6] Clive Staples Lewis: Überrascht von Freude, Basel 1994, S. 274.

[7] Helmut Müller: C.S. Lewis – vor Gott auf der Flucht, aber von ihm gefunden. https://de.linkedin.com/pulse/c-lewis-vor-gott-auf-der-flucht-aber-von-ihm-gefunden-helmut-müller-kthde

[8] https://workoutyourfaith.org/advent-with-lewis

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